Über Wind

 

Mit enormer Geschwindigkeit über die Stadt und die Dächer der Häuser, zwischen die Gebäude, hinein in die Straßen und in die kleinsten Winkel. Jeder Mauervorsprung, jeder Zwischenraum, alles was das entfesselte Stürmen des Windes beeinflusst wird hörbar. Ein enormes Brummen, Heulen und Vibrieren erfüllt die sich bewegende Luft, wird herangetragen, weitergeleitet und immer wieder verändert. Jede Dachziegel, jedes Fallrohr, jedes geparkte Auto (manchmal hüpfen sie am Straßenrand kurz hoch), jeder irgendwie geartete Körper resoniert, trägt seinen individuellen Klang bei zu diesem Brausen, dessen singende Obertöne von der improvisiert anmutenden Elektrifizierung der Stadt, diesem Wirrwarr aus freihängenden Leitungen herrühren, diesem Gesang, im Frequenzspektrum weit über den tiefen Resonanzen der urbanen Zwischenräume. Fasziniert von der unbeschreiblichen Rasanz der Ereignisse verlieren sich meine Ohren in diesem gigantischen Konzert.

(Der Taifun verlief glimpflich. In der Stadt Kyoto entstanden keine nennenswerten Schäden)

 Kyoto, Oktober 1994