Von weiter her und sehr nah

 

Hier in St. Petri ist das eindringende Tageslicht kein von farbigem Glas gefärbter Helligkeitsschein oder ein Strahl, der den abgedunkelten und unausgeleuchteten Raum benötigt um seine Wirkung zu entfalten. Hier ist das Licht ein starker Eindruck von Intensität und Offenheit in der Gleichzeitigkeit der Ereignisse, wahrnehmbar als ein Licht durchfluteter Innenraum mit einer ungewöhnlichen Resonanz. Volumen, Licht und Klang – überdeutlich veranschaulicht sich der Raum in jedem hörbaren Geräusch.

Meine Eingriffe in diesen Raum zitieren als akustische Installationen unterschiedliche Hintergründe. Dabei folge ich der Vorstellung mit gefundenen und am Ort befindlichen Materialien umzugehen, deren Authentizität unberührt bleibt, die aber als Dramaturgie erst durch die Bedingungen ihrer Hörbarkeit entstehen. Dieser auditive Reflex der Architektur, ihre spezifische Raumakustik ist dabei der Ausgangspunkt einer Bespielung:

Die akustische Wolke der Stadt als realzeitliche Übertragung in ein Objekt wird zu einem Innenklang und zu einem Geräusch in einem auf das menschliche Körpermaß bezogenen Gegenstand. Die permanente Einspielung des Außen in ein Objekt im Innern oder ein Geräusch mit extremer Ausdehnung verdichtet auf die Maße einer Transportkiste, einer Speditionsverpackung für Kunstobjekte, lässt diese resonieren. Der am weitesten reichende Klang wird wie durch einen Trichter verkapselt und reduziert zu einem lautgebenden Körper im Raum. Die Erhabenheit des Raumes, als eine völlig losgelöste Dimensionierung und Größenwahrnehmung im Gegensatz zur Kleinheit des eigenen Körpers bekommt durch diese Transformation des Stadtklanges ein objekthaftes Gegenüber.  

 

Der Terrakotta Fußboden von St. Petri hat in seiner Farbigkeit und grafischen Struktur eine einzigartige Optik und dient mir als tongebendes Raumdetail für eine perkussive Untersuchung. Durch das Abklopfen einzelner Platten mache ich Hohlstellen unterhalb des Bodens hörbar. Die in ihrer Größe differierenden Punkte bilden sich dabei in unterschiedlichen Tonhöhen ab. Diese Klänge aus dem unterhalb liegenden und nicht sichtbaren Bereich dienen mir als kompositorisches Mittel für eine akustische Installation, einer mehrkanaligen Geräuschbearbeitung, hörbar über Kopf aus zwölf Schallquellen, abgehängt aus den Zentren der Kreuzbögen. Hier folgen die Bodenklänge der Ausdehnung des Raums, weit, hoch und ausgreifend bis in die Resonanzpunkte der Deckenkonstruktion.

Die Besucher erleben Zeitabläufe von Zufall und Komposition innerhalb eines Klangraumes. Die Gleichzeitigkeit der Klänge wird dabei idealerweise den Hörprozess anregen oder ihn in eine neue Richtung lenken. Ein möglicher Ausgangspunkt ist die alles dominierende  Raumakustik. Der Baukörper bündelt, leitet und verstärkt den Schall mit unerwarteten Richtungskonstellationen. Es entstehen Klangbilder in unterschiedlicher Dichte und Dominanz. Von weiter her und auch sehr nah entwickelt sich ein Raum akustischer Ereignisse als interpretierte Resonanz der Architektur.


Realzeitübertragung von zwei Richtmikrophone auf eine hölzerne Transportkiste mit integrierter Übertragungsanlage, 12 Kugellautsprecher, 12-kanalige Komposition, Zuspieltechnik


  • St. Petri zu Lübeck, Lübeck 2009