Einstimmen –

4 Arbeiten für das Rittergut Lucklum 2022

 

Ein Dialog zwischen Klang und gebautem Raum an einem bemerkenswerten Ort, einer Vierflügelanlage der ehemaligen Deutschordenskommende in Lucklum am Elm im Harzvorland, einer jahrhundertealten Umbauung mit eingebundenem romanischem Kirchenbau.

Meine Präsentation ist der Versuch durch implantierte Klänge eine neue atmosphärische Situation zu schaffen, um ein verändertes Erleben von Architektur zu ermöglichen: Ein umbautes Areal wird zum Klangraum, ein Eingangsbereich zu einem audio-visuellen Entrée, die Laterne eines Kirchturms zu einer Klangquelle hoch oben, die Innen und Außen verbindet und einer Klangskulptur im Innern der Kirche als ein multisensorisches Ereignis.

 
 
 

Video: Rüdiger Spott, Spottlight Köln

 

 

Eingang

Der Nebeneingang des Ritterguts als enger Einlass zum Innenhof. An der Decke des Durchgangs befindet sich eine Stoffverspannung die exakt die gesamte Fläche nachvollzieht. Dahinter und nicht sichtbar befinden sich 16 Schallquellen, die eine eher leise, aber schnell wechselnde und im Ablauf zufällige Klangbewegung unter der gesamten Abspannung verteilt. Dieser über-Kopf-Impuls ist eine für den Weg in den Innenhof gesetzte Irritation: kurze Ereignisse, extrem beweglich und unvorhersehbar in ihren Sprüngen.

Ein Moment der hörbaren Bewegung in viele Richtungen und mein eigener linearer Impuls bei der Durchquerung.

 
 
 
 

Innenhof

Unter der Traufe an zwei im rechten Winkel zueinander stehenden Gebäude der Anlage befinden sich 16 Lautsprecher. Die Anordnung ist unregelmäßig und verdichtet sich in Richtung der dem Entrée gegenüberliegenden Ecke. Bauart und Erscheinung der Klangquellen ist eher unauffällig und passt sich den Gebäuden an, ähnlich einem zum Ensemble gehörenden Baudetail. Die räumliche Klangentwicklung der Installation entspricht der optischen Anordnung der Klangquellen. Aus der Gebäudeecke heraus und diagonal in den umbauten Raum hinein entsteht eine langsame Hörrichtung bis der gesamte umbaute physische Raum als Klang wahrnehmbar ist.

 
 

Die Klänge bewegen sich wellenartig, schwellen leise an und ab in der Resonanz der reflektierenden Wände. Es entsteht eine andersartige Situation in einem vormals leeren Raum, eine besondere atmosphärische Eigenschaft durch das Hören nahe am Bauwerk.

 
 
 

Kirchturm

Einen Kontrapunkt  zum Höreindruck im Innenhof bildet der Kirchturm. Die als Oktagon gebaute Laterne besitzt acht Öffnungen, von denen zwei als Schallquellen dienen. Die dem Innenhof zugewandte hat eine Dependance diagonal entgegengesetzt nach außen in Richtung des Dorfes.

Die Klänge vom Turm bereichern die akustischen Vorgänge innerhalb der Hofumbauung. Aus der Entfernung kommend erweitern diese in unregelmäßigen Intervallen das Klangbild bis in die Umgebung hörbar und entgrenzen die Überschaubarkeit des Baukörpers akustisch.

 
 
 

Innenraum Gutskirche

Im Kircheninnenraum und zentral in Richtung des Altars steht eine skulpturale Quaderform aus Schwarzblech.  Auf der gesamten oberen Fläche des Objekts liegt ein grauschwarzer Filz. Die Skulptur, die gleichzeitig als Sitz oder Bank dient, wird permanent durch eine Tiefenfrequenz in eine leichte aber spürbare Vibration versetzt. Außerdem ist der Metallkörper temperiert und strahlt eine geringe Wärme ab. Ziel ist es eine maximale Körperlichkeit in der auratischen Inszenierung des Sakralraums zu erreichen, eine individuelle  Gegenwärtigkeit des eigenen Körpers im Moment des sich Setzens und Verharrens.

Auf die komplexe Ausstattung der Gutskirche – vor allem die Emblematik mit ihren 156 Sinnbildern und 210 lateinischen Inschriften – reagiert Ulrich Eller mit einer minimalistischen Klangskulptur: Aus einem grauen Korpus dringen tiefe Frequenzen. Die dunkelgraue Filzfläche der Skulptur lädt zum Sitzen ein und spricht alle Sinne an, denn der Sitzplatz vibriert und ist auf Köpertemperatur erwärmt. Positionsveränderungen oder weitere Sitzplatz-NutzerInnen verändern zudem den Klang. Der eigene Körper wird zum Resonanzraum. Leiblichkeit im Sakralraum.

Elisabeth Vorderwülbecke

Der Erlebnisgehalt des Sitzens als ein bewusster Moment von Gegenwärtigkeit.

 

Photos l/r: Torben Laib


 

Stahlquader h 50 cm, b 140 cm, t 60 cm, Filz l 140 cm, b 60 cm, Transducer, Frequenzgenerator, Wärmelampen, Kabel, Strom.